Wasserburg Leuchtet 2013

Licht und Sound, Hightech und Emotionen:

Innumrauscht liegt Wasserburg, ein besonderer Ort nicht nur wegen der geografischen Lage, sondern auch aufgrund des Stadtbildes, der bunten Häuser und der südlichen Atmosphäre.
Viele Feste und Veranstaltungen prägen den Jahreslauf, einzigartig aber ist Wasserburg Leuchtet, das den Schlussakzent für den Sommer setzt und mit allen erdenklichen Farben in die beginnende dunkle Jahreszeit hineinstrahlt.

„Wasserwelten“ ist in diesem Jahr das Motto, und so vielversprechend es sich anhört, wäre es eigentlich schöner gewesen, die Wasserwelten hätten sich auf die Veranstaltung und die Innschleife beschränkt und nicht auf den Himmel ausgedehnt, aus dem es gleichmäßig herabregnet. Das Thema hat sich wohl wesentlich weiter nach oben durchgesprochen, als uns allen gut tut. Ich sehe aus dem Fenster und mustere skeptisch den Regen, der seit Stunden gleichmäßig niedergeht. Aber wie könnte man resignieren, auch die Organisatoren und Aufbauteams arbeiten schließlich schon den ganzen Tag an den Vorbereitungen.

Und plötzlich, wenige Minuten nach 18.00 h, geschieht das Unerwartete, das Unglaubliche:
Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg durch die Wolken, Inseln blauen Himmels entstehen und Vorfreude kommt auf. Welch besseres Indiz gäbe es, dass die Herren des Lichts, Urs Hasler und Moritz Hasselt, wieder einmal eine perfekte Inszenierung hingelegt haben?

Froh trete ich aus dem Haus: an der gegenüberliegenden Hausmauer flackert eine Leuchtschrift auf: „Herzlich willkommen in der Lasergasse“. Eigentlich stimmig, denke ich mir: das alte Handwerk, das früher hier betrieben wurde, und jetzt die High-Tech Laser: beides von Farben geprägt: ein schönes Bild. Und die Wasserburger lassen sich, damals wie jetzt, nicht unterkriegen: meine ersten Schritte führen mich an den beiden Liegestühlen vor dem Nachbarhaus vorbei, die, mit warmen Decken bestückt, bereits von Besuchern besetzt sind.

Mein Blick fällt auf zwei Akteure von Wasserburg Leuchtet, die sich erleichtert umarmen: die Freude über das Ende des Regens und den aufklarenden Himmel ist ihnen anzumerken.

Ich beginne meinen Rundgang auf der Innbrücke. Mittlerweile bildet sich ein pastellfarbener Himmel um einen Sonnenuntergang wie auf einem Gemälde von Turner über der Stadt, und Dunstschwaden steigen vom Fluss auf. Magisch ist die Atmosphäre, die wie eine vorsichtige Ankündigung der intensiven Farbspiele wirkt, die uns erwarten.

Die Dämmerung bricht ein; erste Projektionen drehen sich auf den Häuserfronten der Herrengasse. Sind es Waben? Regentropfen? Jedenfalls korrespondieren sie mit ihrem Blaugrau perfekt mit den letzten Streifen zart leuchtenden Abendhimmels. Als ich auf die Salzsenderzeile zugehe, bin ich gespannt, was in diesem Jahr aus den Magnolienbäumen geworden ist und staune, als ich sehe, dass ihnen ein Häkelkleid in Neonfarben verpasst wurde, so dass sie an Korallenarme erinnern – fast so schrill wie die behäkelte Parkbank daneben oder die Telefonsäule mit Zipfelmütze, der Wasserschutzgeist des Abends, wie mir erklärt wird.

Aus einem vertrauten Gebäude an der Hofstatt, an dem ich Hunderte von Malen vorbei gegangen bin, ragt ein Wasserhahn in 3D heraus, und ein Wasserfall ergießt sich über die Fenster, verblüffend und täuschend echt. Eine plötzliche Bewegung lenkt meinen Blick nach oben: ein Plastikfisch schwimmt über meinem Kopf. Bin ich hier in einem Aquarium gelandet?

Zwei messerscharfe Laserstrahlen zerschneiden die Abenddämmerung, und meine Lieblingsbäume in der Hofstatt strahlen mir in allen Regenbogenfarben entgegen, einer davon in sattem Burgunderrot. Ich lasse mir ein Glas Rotwein einschenken, wechsle ein paar Worte mit Freunden und Nachbarn, lasse mich dann aber gleich wieder in den Rundgang hineinziehen. Futuristische Kronleuchter... denke ich, als ich in die Schustergasse komme.

Schwammerl? fragt ein Passant, dann erkenne ich die Form: es sind High-Tech Quallen!
Kinder sind, wie so oft, die ersten, die hinter die Dinge sehen. Ein kleines Mädchen sieht die Objekte, zupft aufgeregt den Vater am Ärmel und sagt sofort: schau, die schwimmen ja in der Luft! Mein Blick wandert weiter: Algen scheinen auf dem Turm von St. Jakob im Wasser zu wabern: ich bin also doch in ein Aquarium geraten!

In der Färbergasse geht es jetzt richtig los: Musik setzt voll ein, ein Bub ruft: ich seh das Wasser! Verblüfft folgt mein Blick seinem ausgestreckten Arm. Wahnsinn! War die Lasershow letztes Jahr schon umwerfend, so ist sie dieses Mal noch magischer geworden. Laser tanzen, formen Flächen und Wasserwolken entstehen in allen Farben, bewegen sich auf diesen Flächen, werden seziert, lösen sich auf, formen sich neu und kreisen. Farben entstehen, verschmelzen, verschwinden. Erwachsene stehen fasziniert in Gruppen und folgen den visuellen Täuschungsmanövern, Kinder deuten mit offenem Mund, andere hüpfen im Farbenmeer, tanzen glücklich zu den dreidimensionalen Mustern. Unwillkürlich breite ich die Arme aus, gehe in den Lasertanz, tauche ein in Farben und Formen und verschwinde im Nebel. Kaum nehme ich die Menschen um mich herum noch wahr, nur der Moment, die Musik, das Licht zählt gerade. Und all das vor dem Haus, in dem ich wohne, in der Gasse, die zu meinem Alltag gehört. Diese Realität ist weit weg, nicht mehr vorstellbar, so lange bis die Show zu Ende geht. Applaus brandet auf, Bravorufe ertönen, die Menschen zerstreuen sich wieder, gehen zur nächsten Lichtquelle, lachend, redend...

Mich zieht jetzt eine ruhige Lichtinsel an: flackernde Kerzen hinter Milchglas unter einem Mini-Sternenzelt am Ende der Gasse laden zu einer kleinen Pause und einem Ratsch ein, bevor ich mich wieder auf den Weg mache.

Die Hofstatt ist erneut mein Ziel. DJ B Fuse produziert wie immer gekonnt die richtigen Klänge zur Optik von Wasserburg Leuchtet. Diesmal steht er aber vor einer zusätzlichen Projektion von lila und blauen Unterwassergewächsen, die sich um ihn zu schlingen scheinen. Gebannt höre und sehe ich zu, denn er schafft es, mit seinen Eigenkompositionen Wasser als Musik zu spielen; ich lächle, winke ihm zu und gehe weiter.

Jetzt wartet ein spannender Kontrast auf mich, unerwartet und doppelt schön: während Luftblasen an einer Hausmauer aufsteigen, schiebt sich darüber langsam eine schwarze Wolke vor den aufgehenden Mond.  Um die tiefdunkle Wolke herum bildet sich allmählich ein leuchtender gelblich-weißer Rand, so als ob die Herren des Lichts von Wasserburg Leuchtet da oben auch noch ihre Finger im Spiel hätten. Aber die haben genügend zu tun, um hier unten für den perfekten Ablauf zu sorgen, sage ich mir, als ich Urs wieder auf dem Blechdach sehe, die Lichter dirigierend.

Gegenüber formt sich eine Krake an einer Fassade, und als sie ihre Tentakel nach mir auszustrecken scheint, beschließe ich, dass es Zeit wird, wieder vors Brucktor zu gehen.

Unterwegs entdecke ich bunt beleuchtete Plastik-Gießkannen an einem Haus baumeln, muss lächeln und freue mich zwischendurch, dass das Wetter immer noch hält. 

Der Weg zum Brucktor führt mich durch die Frauengasse, und ich staune nur so: die Wände dieses kleinen Platzes, der ja eigentlich keine Gasse im engeren Sinn ist, haben sich in die Wände eines Aquariums verwandelt. Eine Schildkröte schwimmt auf den Besucher zu, Fische ziehen ihre Bahnen und Kinder baden im weißen Meerschaum. Was am frappierendsten ist: Seifenblasen steigen langsam in den viereckigen Ausschnitt des Nachthimmels und holen so die zweidimensionalen Projektionen in 3D, machen sie real.

Wieder begegnen mir Freunde, Gespräche, Austausch, Lachen und Umarmungen unterbrechen meinen Weg vors Tor. Dort angelangt, verschwimmt wieder Virtuelles und Reales.

Virtuelles Wasser auf der Brucktorfront, von Luftblasen durchbrochen, und Lichtreflexe auf der echten Wasserfläche des Inn; intensives natürliches Mondlicht als Pendant zu den Farbreflexionen der Scheinwerfer fügen sich zu einer wunderbaren Komposition von Wasser und Licht, einem Zusammenklang von Realem und Irrealem.

Ich bahne mir meinen Weg durch die Menschen, lache über die Kinderhorde, die gerade Verstärkung durch Erwachsene bekommt und die alle gemeinsam in den Meeresschaum der Frauengasse springen. Lang kann ich mich nicht aufhalten, denn ich möchte die Show in der Hofstatt keinesfalls verpassen. Gerade rechtzeitig komme ich noch, um das kreative Fassadenmapping von Gerhard Höberth zu sehen. Faszinierend schon allein, wie sich Schachbrettquadrate in eine 3-D-Animation verwandeln. Dann schiebt sich ein Wort:; „Wasser“ ins Zentrum, so gestaltet, als ob es aus Wasser bestünde.

Die Ziegelsteine der Hausmauer verschwimmen, feste Materie wird zu flüssiger, scheint sich zu wiegen wie die Oberfläche eines Sees im Herbstwind. Wasservögel kreischen und fliegen durchs Bild, und bevor man all das richtig erfasst hat, hebt sich ein virtueller Vorhang, der den Blick freigibt auf eine bewegte Unterwasserwelt, die sich vor den Augen der staunenden Besucher entfaltet. Plötzlicher Szenenwechsel: offenbar eine undichte Stelle, das Aquarium scheint auszulaufen, sich auf die Besucher zu ergießen. Es blubbert, ein neues Fenster öffnet sich, und ein Fisch schwimmt auf mich zu; so naturgetreu, dass ich wider besseres Wissen unwillkürlich versuche auszuweichen.

Plötzlich erklingen Rufe und Stimmen: die Darsteller des Wallenstein-Festivals gehen nach einer ihrer Vorstellungen nach Hause – ein Kontrast, der im ersten Moment nicht stimmig wirkt. Was aber dann doch schön und passend wird: das flackernde Licht der vielen Fackeln, das zusammen mit den Kostümen in eigentümlichem Gegensatz zur Show steht, ergänzt die Laserstrahlen. Ein optischer Zeitsprung über fast 400 Jahre hinweg und doch das selbe Thema, das selbe Leitmotiv: Licht in die Dunkelheit tragen.

Zurückgekehrt in die Färbergasse freue ich mich, dass es mit einer letzten Lasershow noch eine kleine Zugabe gibt, bevor sich die Herbstnacht über Wasserburg senkt. Und dieses Mal sehe ich mir den Strahlentanz von oben, von meinem Fenster aus an und genieße den Blick auf tanzende und lachende junge Menschen. Als die letzten Töne verklingen und ich das Fenster endgültig und mit leisem Bedauern schließe, tastet sich noch ein einzelner purpurroter Lichtstrahl bis zu mir herauf, wie ein tröstliches Versprechen, dass Wasserburg auch nach der kommenden dunklen Jahreszeit, auch im nächsten Jahr, wieder leuchten wird.

 Heike